Einordnung: Kommunalrecht
Konkret: Neutralitätspflicht des Vorsitzenden und freies Mandat
Kernaussagen: Einem Gemeinderat steht ein organschaftliches Abwehrrecht gegenüber Äußerungen anderer Organe oder Organteile während einer Gemeinderatssitzung aus § 32 III GemO (sog. freies Mandat) in Verbindung mit dem ungeschriebenen Grundsatz der Organtreue zu, wenn Äußerungen eines Gemeinderatsmitglieds ihm gegenüber den Tatbestand der groben Ungebühr erfüllen oder als Formalbeleidigung oder als Schmähkritik zu qualifizieren sind oder unsachliche Äußerungen gegenüber einem Gemeinderatsmitglied darstellen, die nicht zum Beratungsgegenstand gehören.
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Neutralitätspflicht eines Bürgermeisters im Verhältnis zu politischen Parteien und zum Sachlichkeitsgebot als allgemeiner Grenze der Äußerungsbefugnis bei öffentlichen Äußerungen eines kommunalen Amtsträgers in amtlicher Eigenschaft ist auf Redebeiträge eines Bürgermeisters in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung, die nicht in Wahrnehmung seiner Leitungsfunktion getätigt werden, nicht anwendbar.
Bei Redebeiträgen eines Bürgermeisters in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung, die nicht in Wahrnehmung seiner Leitungsfunktion getätigt werden, unterliegt dieser den für alle Gemeinderatsmitglieder geltenden Einschränkungen.
Diese Entscheidung ist examensrelevant und erscheint in der RA 02/2023. Das Thema wird ebenfalls behandelt im Skript Crashkurs Öffentliches Recht.