Einordnung: Infektionsschutzrecht / Grundrechte
Konkret: Verhältnismäßigkeit
Kernaussagen: § 9a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 bis 3 Corona-VO ordnet in bestimmten Betrieben und Einrichtungen des Einzelhandels ein Verbot des Zutritts für Kunden an, die weder über einen Impfnachweis noch über einen Genesenennachweis verfügen (sog. 2-G-Regelung im Einzelhandel). Diese Bestimmung ist derzeit keine notwendige Schutzmaßnahme. Die Eignung zur Erreichung der infektiologischen Ziele ist durch die zahlreichen Ausnahmen in § 9a Abs. 1 Satz 2 Corona-VO bereits reduziert. Allein im von der 2-G-Regelung nicht umfassten Lebensmitteleinzelhandel findet der weit überwiegende Teil täglicher Kundenkontakte statt. Auch die Erforderlichkeit ist zweifelhaft. Es fehlen verlässliche und nachvollziehbare Feststellungen zur tatsächlichen Infektionsrelevanz des Geschehens im Einzelhandel. Es ist nicht ersichtlich, dass die Erforschung von Infektionsumfeldern auch durch das Land Niedersachsen intensiviert worden wäre, um die Zielgenauigkeit der Schutzmaßnahmen zu erhöhen. Eine schlichte Übertragung von Erkenntnissen zum Geschehen in geschlossenen Räumen von Sport- und Freizeiteinrichtungen drängt sich angesichts erheblicher Unterschiede zu dem Geschehen im Einzelhandel nicht auf. Letzteres erscheint jedenfalls regelmäßig durch eine kürzere Verweildauer der Kunden, eine geringere Kundendichte, eine geringere Anzahl unmittelbarer Personenkontakte (Face-to-Face), geringere körperliche Aktivitäten und eine bessere Durchsetzung von Hygienekonzepten gekennzeichnet. Zudem können die Kunden, wie in vielen anderen Alltagssituationen, auch im Einzelhandel verpflichtet werden, eine FFP2-Maske zu tragen. Nach neueren Erkenntnissen dürften Atemschutzmasken dieses Schutzniveaus das Infektionsrisiko derart absenken, dass es nahezu vernachlässigt werden kann.
Zudem liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Nachvollziehbare sachliche Gründe dafür, dass beispielsweise zwar Gartenmarktgüter, Güter des Blumenhandels einschließlich der Güter des gärtnerischen Facheinzelhandels und Güter zur Reparatur und Instandhaltung von Elektronikgeräten zu den von der 2-G-Regelung ausgenommenen "Gütern des täglichen Bedarfs oder zur Grundversorgung der Bevölkerung" gezählt würden, aber Baumärkte uneingeschränkt der 2-G-Regelung unterworfen blieben, sind nicht erkennbar.