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LG Münster, Urteil vom 23.03.2022, 210 O 59/21

Einordnung: Zivilrecht / Widerrufsrecht

Konkret: Zum Begriff des „Geschäftsraums“ beim Widerruf

Kernaussagen: Es geht vorliegend um die folgende Rechtsfrage: Wenn der Unternehmer Geschäftsräume eines anderen Unternehmers nutzt, handelt es sich dann um Geschäftsräume des handelnden Unternehmers im Sinne des § 312b BGB? Wenn ja, wäre der Verbraucherwiderruf ausgeschlossen.
Das LG verneint die Frage und gesteht das Widerrufsrecht mit folgender Begründung zu:
Der wortlautgetreuen Anwendung von § 312b BGB steht nicht der Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Grundsätzlich maßgeblich für das Bestehen eines Widerrufsrechts ist, dass die Gefahr einer Überrumpelung des Verbrauchers besteht, was nicht der Fall ist, wenn er in der konkreten Situation mit entsprechenden Angeboten rechnen musste und jegliches Überraschungsmoment fehlt. Dies ist der Fall, wenn der Verbraucher die Infrastruktur klar als Geschäftsraum erkennt und sich auch in Erwartung einer Verhandlungssituation dorthin begeben hat.
Für den hier vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber wohl bewusst keine Ausnahme vom Bestehen des Widerrufsrechts vorgesehen. Vielmehr ist der Gesetzgeber auf zahlreiche Sonderkonstellationen eingegangen und hat diesbezüglich Regelungen getroffen, so dass nicht unterstellt werden kann, dass für Konstellationen wie die vorliegende eine vom Wortlaut abweichende (bzw. sogar widersprechende) Anwendung des Gesetzes angezeigt wäre.

So hat der Gesetzgeber erkannt, dass Unternehmer regelmäßig auch außerhalb ihrer eigenen Geschäftsräume Verträge abzuschließen pflegen, und daher (z.B.) in § 312b II 2 BGB Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, den Räumen des Unternehmers gleichgestellt. Diese Gleichstellung bezieht sich aber gerade nur auf Personen, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handeln, und nicht - wie hier - im Namen oder Auftrag des Verbrauchers.
Eine Analogie dahingehend, dass auch Geschäftsräume von Personen, die im Namen oder Auftrag des Verbrauchers handeln, den Geschäftsräumen des Unternehmers gleichgestellt werden, verbietet sich somit, da nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden kann, sondern der Wille des Gesetzgebers vielmehr eindeutig ist.
Wenn der Unternehmer Geschäftsräume eines anderen Unternehmers nutzt, handelt es daher sich nicht um Geschäftsräume des handelnden Unternehmers.

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Dieses Urteil ist examensrelevant.

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