Einordnung: Staatsorganisationsrecht
Konkret: Freies Mandat / Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages
Kernaussagen: Für eine Sitzung des Deutschen Bundestages im November 2019 kündigte der Antragsteller an, neben dem von seiner Fraktion bereits vorgeschlagenen Abgeordneten im zweiten Wahlgang einen weiteren Abgeordneten zur Wahl zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages vorschlagen zu wollen. Der Antrag wurde in der Sitzung – nach vorangegangener Ankündigung durch den Bundestagspräsidenten – von der sitzungsleitenden Vizepräsidentin mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass einem einzelnen Abgeordneten insoweit kein Vorschlagsrecht zustehe. Das BVerfG hat nun entschieden, dass Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zwar grundsätzlich ein Recht des einzelnen Abgeordneten umfasst, bei den durch den Deutschen Bundestag durchzuführenden Wahlen eigene Wahlvorschläge zu machen. Einschränkungen dieses Rechts sind nur zum Schutz gleichwertiger Verfassungsgüter unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. Davon ausgehend ist die Nichtzulassung des Wahlvorschlags des Antragstellers verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt. Sie beruht auf § 2 Abs. 1 Satz 2 GO-BT, dessen Auslegung im Sinne einer Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts auf die Fraktionen durch den Antragsgegner vertretbar und verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
Dieser Beschluss ist examensrelevant und erscheint in der RA 05/22. Außerdem wird das Problem im Crashkurs Öffentliches Recht behandelt.