Einordnung: Europarecht
Konkret: Ultra-vires-Kontrolle / Demokratieprinzip / Art. 23 I GG
Kernaussagen: Das BVerfG hat mehrere Verfassungsbeschwerden und einen Antrag im Organstreitverfahren zur vorläufigen Anwendung des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) als unbegründet zurückgewiesen. Soweit sich die Verfassungsbeschwerden und die Organklage darüber hinaus gegen die Unterzeichnung und den Abschluss von CETA wandten, hat das BVerfG sie als unzulässig verworfen. Der Beschluss des Rates der Europäischen Union über die vorläufige Anwendung von CETA vom 28.10.2016 ist weder als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren, noch werden dadurch die Grund-sätze des Demokratieprinzips im Sinne von Art. 20 Abs. 1 und 2 GG berührt. Soweit die Vertragsschlusskompetenz der Europäischen Union für einzelne Bereiche umstritten ist, ist die vorläufige Anwendung beschränkt. Dies gilt auch insoweit, als mit CETA möglicherweise Hoheitsrechte auf das Gerichts- und das Ausschusssystem weiterübertragen werden. Zwar ist zweifelhaft, ob dies noch von der Integrationsermächtigung aus Art. 23 Abs. 1 GG gedeckt wäre. Ein solches Risiko wird durch die Einschränkungen der vorläufigen Anwendung und die Erklärungen zum Ratsprotokoll betreffend den Gemischten CETA-Ausschuss jedoch ausgeschlossen. Soweit darüber hinaus die demokratische Legitimation und Kontrolle von Beschlüssen des Gemischten CETA-Ausschusses mit Blick auf Art. 20 Abs. 1 und 2 GG zweifelhaft erscheint, ist eine etwaige Berührung der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 GG) während der vorläufigen Anwendung von CETA ebenfalls nicht zu besorgen.