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BGH, Urteil vom 23.11.2022, 2 StR 142/21

Einordnung: Strafrecht / Prozessuale Tat

Konkret: Gleiche Tat trotz unklarem Tatzeitpunkt

Kernaussagen:

Ein Verfahrenshindernis besteht, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und dem von der Anklageschrift erfassten Sachverhalt keine Identität mehr besteht.
Im Fall des BGH ging die Anklage von einer Anstiftung zum versuchten Mord aus, das LG konnte sich aber nur von einer Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung überzeugen. Zudem wichen die Angaben zu Tatzeit und Tatort im Anklagesatz einerseits und im Urteil andererseits voneinander ab.
Definition:
Zu der Tat als Prozessgegenstand im Sinne des § 264 I StPO gehört das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach allgemeiner Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet, auch wenn einzelne damit zusammenhängende oder darauf bezogene Umstände in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind, und ohne Rücksicht darauf, ob sich bei der rechtlichen Beurteilung eine oder mehrere strafbare Handlungen im sachlich rechtlichen Sinne statt oder neben der in der zugelassenen Anklage bezeichneten Straftat ergeben. Hierauf bezieht sich auch die Kognitionspflicht des Tatgerichts, die erfordert, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zu Grunde gelegte Bewertung durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 I StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. Die Wahrung der Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des Tatbildes ist nach dem Kriterium der „Nämlichkeit“ der Tat zu beurteilen. Diese ist - ungeachtet gewisser Unterschiede - dann gegeben, wenn bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als ein einmaliges und unverwechselbares Geschehen kennzeichnen. Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung und durch das Tatopfer bestimmt.
Dies Voraussetzungen bejahte der BGH vorliegend:
Tatopfer und die der Tat innewohnende Angriffsrichtung sind identisch. Nach Anklage wie Urteil richtet sich Tat auch gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich gegen die körperliche Integrität des Geschädigten, die ganz erheblich mittels einer Waffe beeinträchtigt werden sollte und dann auch wurde.
Auch steht die in der Anklage beschriebene Anstiftung und die von der Strafkammer festgestellte Beauftragung des Hauttäters durch den Angeklagten zu einem späteren Zeitpunkt in einem so engen sachlichen und motivatorischen Zusammenhang, dass die Annahme zweier prozessualer Taten zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts führen würde.

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