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BGH, Beschluss vom 13.01.2021, 3 StR 410/20

Einordnung: Strafrecht / Strafprozessrecht

Konkret: Fortwirkung bei § 136a StPO

Kernaussagen: Der Angeklagte kann seine Revision auch dann auf einen Verstoß gegen § 136a I StPO stützen, wenn dieser die Vernehmung eines Zeugen oder Mitangeklagten betrifft. Das Verwertungsverbot des § 136a III StPO gilt grundsätzlich nur für die Angaben des Angeklagten oder Zeugen, die unter Missachtung des § 136a I StPO herbeigeführt worden sind. 

Eine spätere Aussage, bei der die Willensfreiheit nicht mehr beeinträchtigt war, ist regelmäßig verwertbar.  Wirkt der Verstoß gegen § 136a I StPO so fort, dass hierdurch auch bei einer zeitlich nachgelagerten Vernehmung die Aussagefreiheit des Beschuldigten oder Zeugen in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt ist, umfasst das Verwertungsverbot des § 136a III StPO auch die spätere Beweiserhebung. 

Als Indizien für eine Fortwirkung kommen ein naher zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anwendung der verbotenen Vernehmungsmethode und der neuen Befragung sowie die Schwere der Beeinträchtigung der Willensfreiheit in Betracht. Berichtet der Beschuldigte oder Zeuge bei der späteren Vernehmung nicht von sich aus im Zusammenhang, sondern bestätigt auf Vorhalt nur pauschal seine früheren Aussagen oder nimmt auf sie Bezug, so kann auch das darauf hindeuten, dass er weiterhin unter dem Eindruck der unzulässigen Vernehmungsmethoden steht. 

Maßgeblich gegen eine Fortwirkung spricht indes, wenn sich der Beschuldigte oder Zeuge bei der späteren Vernehmung seiner Freiheit bewusst ist, sich von seiner früheren Einlassung zu distanzieren. 

Der Bundesgerichtshof hat bislang nicht entschieden, ob von einer vollständigen Entschließungsfreiheit des Beschuldigten oder Zeugen nur dann ausgegangen werden kann, wenn er - wie etwa bei Verstößen gegen die Belehrungspflicht aus § 136 I 2 StPO - durch eine "qualifizierte" Belehrung auf die Unverwertbarkeit seiner früheren Aussage hingewiesen worden ist. Aus dem Unterbleiben einer "qualifizierten" Belehrung folgt nicht ohne Weiteres die Unverwertbarkeit der späteren Aussage. Es ist wie in anderen Fällen einer fehlerhaften Erkenntnisgewinnung - etwa dem Unterlassen einer "qualifizierten" Belehrung nach Verstößen gegen § 136 I 2 StPO - eine Abwägung vorzunehmen. In diese einzustellen sind insbesondere das Gewicht der Willensbeeinträchtigung und der zeitliche und situative Zusammenhang zwischen den Vernehmungen.  Ergibt sich aus den Umständen des Falles, dass der Vernommene auch ohne Belehrung davon ausgegangen ist, von seinen unter Druck gemachten Angaben abrücken zu können, spricht dies in der Regel gegen ein Verwertungsverbot. Im Übrigen ist das staatliche Interesse an der Sachaufklärung zu berücksichtigen. Schließlich ist zu beachten, dass dem Unterlassen der Belehrung regelmäßig nicht dasselbe Gewicht wie der vorangegangenen unzulässigen Vernehmungsmethode zukommt. 

 

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