Einordnung: Infektionsschutzrecht / Staatsrecht
Konkret: Rechtsstaats- und Demokratieprinzip
Kernaussagen: § 2 Nr. 5 Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung des Bundes (SchAusnahmV) sah ursprünglich eine Gültigkeitsdauer von 6 Monaten nach festgestellter Infektion vor. Die Bundesregierung änderte diese Vorschrift mit Verordnung vom 14.1.2022 dahingehend, dass für den Genesenenstatus die im Internet veröffentlichten Vorgaben des Robert Koch-Instituts maßgeblich sind. Nach der fachlichen Vorgabe des Robert Koch-Instituts vom 15.1.2022 gilt insoweit eine verkürzte Gültigkeitsdauer von höchstens 90 Tagen. Diese Verkürzung der Dauer des Genesenenstatus ist schon aufgrund der Regelungstechnik voraussichtlich verfassungswidrig und somit unwirksam. Die Regelung verstößt aufgrund der Bezugnahme auf die vom Robert Koch-Institut jeweils im Internet veröffentlichten Anforderungen gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip. Es begegnet grundsätzlichen Bedenken, dass der Verordnungsgeber - die Bundesregierung - das Robert Koch-Institut pauschal ermächtigt hat, eine grundrechtsrelevante Regelung zur Gültigkeit eines Genesenennachweises zu treffen. Der Verweis auf die fachlichen Vorgaben des Robert Koch-Instituts verstößt zudem gegen das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme wird unzumutbar erschwert, weil eine Verweisung auf eine Internetseite die Folge hat, dass sie sich nahezu sekündlich ändern kann und nicht gewährleistet ist, dass die jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt geltende Rechtslage mit Gewissheit nachzuvollziehen ist. Die Bundesregierung als Verordnungsgeber überschreitet mit der dynamischen Verweisung zudem die Grenzen ihrer Ermächtigung durch das Infektionsschutzgesetz. Schließlich ist die in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14.1.2022 enthaltene Verweisung auf die Internetseite des Robert-Koch-Instituts auch nicht hinreichend bestimmt, weil es dem Anwender nicht jederzeit möglich ist, die Rechtslage konkret zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten. Es besteht stets die Ungewissheit, ob sich die Rechtslage durch eine kurzfristige Änderung der Bestimmungen auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts verändert hat.